Angststörungen – Panikstörung
So unvermutet, wie sie beginnen, so plötzlich können sie verschwinden: Panikattacken.
Überfallartig und ohne vorherige Warnzeichen werden Menschen, Frauen häufiger als Männer, in verschiedensten Situationen immer wieder von Episoden intensiven Unbehagens überrascht – sei es beim Besteigen eines Flugzeugs, inmitten einer großen Menschenmenge oder, wie im Beispiel, im Kaufhaus und Kino. Angst im klassischen Sinne des Wortes empfinden sie zunächst gar nicht. Vielmehr werden die begleitenden körperlichen Symptome – zum Beispiel Atemnot, Benommenheit, Ohnmachtsgefühle, Zittern, Schwitzen, Übelkeit, die Furcht verrückt zu werden oder zu sterben – als bedrohlich erlebt und geben im Wiederholungsfall Anlass zur Befürchtung, schwer krank zu sein.
Der Begriff Panikstörung oder Paniksyndrom wurde 1964 geprägt und 1980 von der American Psychiatric Association (APA) in das Diagnosesystem für psychische Erkrankungen (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM) übernommen. Hierdurch hat sich der Begriff in kürzester Zeit weit verbreitet, ist heute international fest etabliert und findet sich auch in der aktuellen Klassifikation ICD-10 (International Classification of Diseases) der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Charakteristisch ist, dass Panikattacken innerhalb weniger Minuten – manchmal Sekunden – ein Maximum erreichen. Der Herzschlag erhöht sich mäßig bis stark, deshalb glauben viele Betroffene, sie würden einen Herzinfarkt erleiden und tot umfallen. Die Patienten fürchten eine körperliche oder geistige Katastrophe.
Der Angstanfall klingt von selbst wieder ab
Charakteristisch ist aber auch, dass die akuten Anfälle von selbst wieder abklingen – meist ebenfalls binnen weniger Minuten, manchmal auch im Verlauf einer halben Stunde. Was bleibt, sind Todesangst und Hilflosigkeit. Und Tränen. Denn eine Panikattacke ist ein quälendes Erlebnis, zumal es keine realistische äußere Bedrohung gibt. Zudem wird ein Arzt nur selten unmittelbarer Zeuge, da kaum jemand während des Arztbesuchs selbst eine Attacke erleidet. In aller Regel lässt sich deshalb auch kein auffälliger organischer Befund stellen, die Betroffenen sind körperlich gesund. Leider hilft es nur wenig, wenn ihnen das immer wieder versichert wird. Im Gegenteil, sie zweifeln erst an den Ärzten, zum Schluss an sich selbst.
70 Prozent der Patienten mit Panikstörungen konsultieren zehn oder mehr unterschiedliche Fachärzte, bevor sie psychiatrisch untersucht werden. Es dauert im Schnitt sieben Jahre, bis die Panikstörung diagnostiziert und eine geeignete Behandlung eingeleitet wird.
Eine Panikstörung hat selten eine einzige Ursache. Meist führt ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren zur Erkrankung – genetische und biologische einerseits, biographische andererseits.
Ursachen
Die Bestandteile der normalen Angstreaktion
Angst ist prinzipiell ein notwendiges, normales Gefühl – ein genialer Trick der Natur, der letztlich Überleben ermöglicht.
Fehlfunktion im Noradrenalin-System
Zwar konnte eine exakte Ursache noch nicht festgestellt werden, aber die gegenwärtige Forschung nimmt an, dass eine Fehlfunktion des Noradrenalin-Systems beteiligt ist.
Wie die Seele mit dem Körper spricht
Das Forschungsgebiet der Psychoneuroimmunologie (PNI) befasst sich seit 20 Jahren intensiv mit den Wechselbeziehungen zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem.
Der Teufelskreis der Angst
Aus einem kurzen Aufflackern von Angst kann sich eine erschreckende Panikattacke entwickeln, die in einem Teufelkreis von Angst und Angst vor der Angst münden kann.
Von der Angst vor der Angst zur Agoraphobie
Die Panik nimmt ein solches Ausmaß an, dass sie Konsequenzen auf das Verhalten hat.
Manche Menschen erleiden eine einzige Panikattacke im Leben, andere haben sie fast täglich und gleich mehrmals. Es gibt zahlreiche Situationen, in denen Menschen von Panik erfasst werden. Von einer Panikstörung kann aber noch keine Rede sein. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Und: Wann ist der Zusatz „mit oder ohne Agoraphobie“ gerechtfertigt?
Von einer Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie sollte dann gesprochen werden, wenn die Angstanfälle bestimmte Merkmale aufweisen. Diese sind in zwei internationalen statistischen Systemen zur Klassifikation der Krankheiten festgelegt, in der ICD-10 (International Classification of Diseases) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) der American Psychiatric Association (APA).
Zwei Grundtypen von Panikattacken
Allgemein werden zwei Grundtypen von Panikattacken unterschieden.
Spontaner Angstanfall
Die Betroffenen werden ohne ersichtlichen Grund oder vorherige Warnzeichen von verschiedenen Symptomen gequält. Dennoch gibt es auch dafür Auslöser. Meist sind es innere Reize, zum Beispiel die Wahrnehmung von Atembeschwerden oder Herzklopfen.
Situationsbedingter Angstanfall
Ein Anfall, „dessen Auftreten … in einem situativen Reiz wahrscheinlicher ist, der aber nicht zwangsläufig sofort und immer mit Auftreten des Reizes ausgelöst wird.“ (Margraf/Schneider: Agoraphobie und Panikstörung. Hogrefe 1998).
Die erste Panikattacke tritt nicht immer direkt nach einer belastenden Lebenskrise auf, sondern oft mehrere Tage oder Wochen danach. Zu diesem Zeitpunkt können bei einigen Betroffenen zwischen zwei und vier spontan Anfälle pro Woche vorkommen.